VituixCAD Weichentwicklung Schritt für Schritt

  • Hallo zusammen,

    nach den letzten Erfahrungen, die ich mit meinem Projekt gesammelt habe, kommt bei mir die Ernüchterung auf, dass ich dringend Nachhilfe in VituixCAD benötige! Da das hier noch kein Thema war, hoffe ich, dass ich nicht der Einzige bin, der das benötigt.

    Nachdem mir Rouven eine Weiche in wenigen Minuten mit VituixCAD erstellt hat, mit der ich schon seit Wochen herumspiele und nichts Vernünftiges dabei herauskam, dachte ich, dass das hier ein Thema werden könnte.

    Im Netz und in der allgemeinen Beschreibung von VituixCAD gibt es viele Informationen. Allerdings kommt mir das so vor, als ob man mehrere Monate damit verbringen muss, um sich seinen eigenen (richtigen) Leitfaden zusammenzustellen.

    Ist hier jemand in der Lage, ein mehr oder weniger grobes Kochrezept für die Vorgehensweise einer Weichenentwicklung niederzuschreiben, die über das original Manuel hinausgeht?

    Auf der Seite Winboxsimu.de z.B., wird die Weichenentwicklung für eine Box Schritt für Schritt besprochen. Aber das kann man so für sein eigenes Projekt mit VituixCAD nicht umsetzen.

    Z.B. bei einem 3Wegerich:

    Alle 3 Chassis im Weichenplan anlegen oder jedes einzelne separat durch-simulieren?

    Oder z.B. die Impedanzkorrektur für den TT anlegen (falls nötig), sobald man aber den MT dazu nimmt, ist die ganze Korrektur wieder dahin!

    Oder aber, legt man von vornherein alle Weichenbauteile an (von denen man meint, sie wären richtig) und lässt den Rest den Optimizer machen?

    Selbst der Optimizer wäre ein eigenes Kapitel wert.

    Ich meine jetzt nicht sämtliche Vorarbeiten bezüglich Treiberauswahl, Schallwand-Geometrie, Übergangsfrequenzen etc., etc. und was man sonst noch so alles benötigt, sondern "lediglich" die Vorgehensweise -Schritt für Schritt - die Entwicklung einer Weiche mit VituixCAD.

    Kochrezept? oder Quatsch?

    Viele Grüße

    Dietmar

  • Ich sitze gerade im Zug und tippe auf dem Handy. Deswegen fasse ich mich jetzt erstmal kurz. So ganz einfach ist das nicht. Man benötigt neben einigen grundsätzlichen Basics einfach Erfahrung. Jedes Chassis verhält sich im Zusammenspiel mit beliebigen anderen Chassis in unterschiedlich gearteten Gehäusen anders. Mit der nötigen Erfahrung und der Projektarchitektur im Hinterkopf kann man oft schon eine Weichentopologie anhand der Messungen ersinnen. Je nach Trennfrequenz sieht man dann, ob man z. B. eine Impedanzlinearisierung vornehmen sollte, oder ob man die ggfs. einsparen kann. Störungen im Frequenzgang können mit Saug- oder Sperrkreisen korrigiert werden. Was besser passen könnte, sagt bei Erfahrung oft schon der Blick auf den Frequenzgang. Mit der nötigen Erfahrung dimensioniert man ein solches Korrekturglied im Kopf, so dass oft nur noch leicht nachdimensioniert werden muss. Ein Geheimrezept gibt es nicht, wohl aber sinnvolle Vorgehensweisen. Dazu gerne später mehr. Am Handy bekomme ich sonst einen Krampf im Finger...

  • Im Prinzip hat Alex ja schon alles Wichtige geschrieben. Jetzt ist es auch so, dass du dir mit einem 3-Weger (und ausgerechnet auch noch mit 3x 4-Ohm Chassis) natürlich direkt ein "Brett" vorgenommen hast, was es erstmal zu bearbeiten und zu bohren gilt. Jeder Anfang ist schwer aber nicht unmöglich. Die größte Hürde ist mit dem Messen zu beginnen. Hat man das geschafft und ist sich auch sicher, dass das was man da misst korrekt ist, ist schonmal mehr als die Hälfte der Entwicklung geschafft.

    Nachdem mir Rouven eine Weiche in wenigen Minuten mit VituixCAD erstellt hat [...]

    Das möchte ich an dieser Stelle ein wenig entschärfen. "In wenigen Minuten" war das nicht erledigt, der Post dazu nur kurz und knapp gehalten, sodass möglicherweise dieser Eindruck entstanden ist. Tatsächlich bin ich bestimmt 2 Stunden darüber gesessen und habe viele Weichentopologien ausprobiert. Das ist das Schöne an VituixCAD: man kann sich innerhalb eines Projektes 8 unterschiedliche Versionen anlegen.

    Wie bin ich vorgegangen?

    Erstmal ging es um das Fügen von Nah- und Fernfeld. Wie das in VituixCAD funktioniert, ist hier genauer beschrieben: VituixCAD help 2.0 (kimmosaunisto.net)

    Das ist die aktuelle Version dazu. Bitte darauf achten, was bzgl. der "Diffraction Responses" beschrieben ist. Hiervon werden 2 benötigt, die man über das "Diffraction Tool" erstellen muss. Leider ist es bei VituixCAD auch so, dass Änderungen schleichend Einzug halten und diese Änderungen in der Vorgehensweise nicht beschrieben sind. Irgendwann wird dann das Online-Manual überarbeitet, was man aber auch selten mitbekommt. Das "Merger Tool" in VituixCAD finde ich persönlich schöner gelöst, als in ARTA. Auch nach dem Umstieg auf CLIO Pocket mache ich das lieber in VituixCAD. Es ist diesbezüglich die elegantere Lösung. Man sieht sofort, was man da tut und muss nicht von vorn beginnen, wenn sich das Ergebnis nicht so einstellt, wie man es erwarten würde.

    Nach dem Fügen, habe ich alle Chassis im Hauptfenster angelegt und die entsprechenden Messungen geladen. Zunächst habe ich dann ausgelotet, wie sich der Mitteltöner an den Tieftöner anbinden lässt. Da stellen sich dann Fragen wie:

    • Wo soll getrennt werden bzw. wo ist es in Bezug auf das Abstrahlverhalten und der Phasenlage sinnvoll?
    • Wie steil soll gefiltert werden?
    • Benötigt man eine Impedanzlinearisierung?
    • Schlagen Resos durch, die behandelt werden müssen?
    • Braucht es einen oder mehrere Sauger? Sperrkreise?
    • Pegelkorrektur: Vorwiderstand? Spannungsteiler?
    • Welchen Einfluss hat das alles auf die Impedanz?

    Und dann geht das rumprobieren los. Dasselbe Spiel spielt man dann auch zum Hochtöner hin. Dann hat man zum Beispiel eine Weiche, die den Lautsprecher sowohl auf Achse, als auch unter Winkeln sauber spielen lässt. Wie stehts um die Impedanz?

    Das war dann der Punkt, wo ich den gesamten Mitteltonzweig gelöscht und mit einer anderen Topologie an die Sache herangegangen bin, da es mir sonst die Impedanz zu sehr in den Keller gezogen hat.

    Jemand anderes würde möglicherweise völlig anders an die Sache herangehen und wieder ein anderer hat einen für ihn noch ganz anderen Weg gefunden. Ich bin selbst auch noch fern davon eine Weiche "einfach so" aus dem Ärmel zu schütteln. Jedes Projekt ist immer noch mit einem Lernprozess verbunden. Aber das macht die Entwicklung ja so spannend ;)

    Was wie funktionieren könnte und wie Alex schreibt, dass man sich beim Anblick des Frequenzgangs im Kopf schon Korrekturglieder zurecht legt, kommt mit der Zeit und der Erfahrung und letztere wird mit jeder neuen Entwicklung mehr.

  • Vielen Dank an dich Rouven für die Erklärungen und Alex für die ehrlichen Antworten. Dann muss ich wohl noch etwas geduldig bleiben.

    Beim Messen kann man zwar auch viele Fehler machen, aber für mich ist das Design der Weiche die allergrößte Hürde.

    In der Holz-Werkstatt Gehäuse bauen (also natürlich je nach Anspruch), oder ein bisschen Löten ist meiner Meinung nach der viel leichtere Teil im Vergleich zur Weichenentwicklung.

    Bei BoxSim ist der Optimizer viel eingängiger für mich, als der von VituixCAD. Klar, der kann keine Winkelmessungen verarbeiten und ist halt sonst auch aus einer anderen Zeit.

    Bin begeistert, welchen Funktionsumfang (Tools) VituixCAD bietet.

    Wir könnten ja diesen Thread offen lassen, wenn jemand (auch ich) mal eine spezielle Frage zu VituixCAD hat.

    Viele Grüße

    Dietmar

  • So, nun bin ich daheim. Rouven hat mit seiner Antwort schon sehr viel von dem geschrieben, was ich vorhin noch im Kopf hatte. Da gibt es nicht mehr viel hizuzufügen. Einen Tipp habe ich aber noch. Vielleicht magst du mal auf Website unseres D.A.U. Kollegen Gazza vorbeischauen. Unter dem Reiter "Simulation & Crossover" finden sich viele wertvolle Hinweise, die Tom sehr verständlich skizziert hat.

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